Wasser
phobie
Wasserphobie
Ich begleite sie seit Jahren durch Tiefen und in der letzten Zeit immer helleren Phasen ihres Lebens. Sie rief mich an, weil es ihr wöchentliches Zeitfenster war, offensichtlich hatte sie keinen Anliegen. Sie erzählt nur Schönes. Ich denke beinahe, dass wir diesmal nur plaudern werden.
Und dann erzählt sie von einer Morgenmeditation, in der sie aufgefordert wurde, über ihre bislang nicht erfüllten Träume nachzudenken. Sie dachte, sie hätte keine, aber dann entdeckte sie doch etwas: Ans Meer zu gehen.
KLIENTIN: Ich war nie ans Meer und möchte einmal dort sein. Ich habe mir jetzt vorgenommen, nächstes Jahr an die Nordsee zu fahren.
Ich nehme eine energetische Inkonsistenz wahr: Wenn es ihre unerfüllte Sehnsucht war, ans Meer zu fahren, warum erst nächstes Jahr? Sie findet viele Argumente, die dagegen sprechen, JETZT ans Meer zu fahren. Ich fühle bei ihr immer mehr Widerstand dagegen, ans Meer zu fahren. Da war die Energie der Sehnsucht und hier ihr Alltag. Die Sehnsucht durfte nicht Realität werden.
Sie ist damit einverstanden, dem nachzugehen. Ich frage sie, was sie machen würde, wenn sie ans Meer fährt.
KLIENTIN: Ich weiß nicht, was ich da machen soll.
Mir wird klar, dass es ihr nicht darum ging, Urlaubstage am Meer zu verbringen, sondern dass es um etwas anderes geht. Ich erzähle ihr, wie ich früher Tage am Meer genoss, und sie erwähnt, sie könnte nicht schwimmen und hätte Angst vor Wasser, oder auf einem Schiff zu sein. Sie will auch nicht Schwimmen lernen. Sie hat Abscheu von Wasser.
Ich spüre, dass die Energie von weit weg kommt und bitte sie, gedanklich die Person im Raum aufzustellen, die mit ihrer Abscheu von Wasser etwas zu tun hat und zu ihr zu schauen.
KLIENTIN: Ich fühle mich wie eine Katze. Es ist nicht nur Wasser-Scheue: Wasser ist kalt und abstoßen.
Dann fühlt sie Beklemmung, als ob sie jemand ins Wasser geworfen hat und ertrinkt. Ich frage sie, ob ihr Blick weit in die Ferne des Ozeans geht, oder nicht, und sie sagt, es wäre gar kein Wasser in der Gegend, sie fühlt sich so nur, wenn sie an Wasser denkt. Alles ist sehr merkwürdig, es ist Angst da, aber keine panische Angst vor dem Ertrinken.
Ich bitte sie, in die Energie der Person hineinzugehen, die sie aufgestellt hat. Es ist ein Mann, der gestresst ist, dass sie Angst vor Wasser hat und nicht schwimmen lernen will. Der Mann scheint sowohl Verantwortung für sie zu fühlen, als auch Erwartungen an sie zu haben.
Er scheint weder Vater noch Bruder, Onkel oder anderen Familienangehörigen zu sein, sondern eher in einer gehobener Stellung in soziale Gruppe, die am Wasser lebt und wo Schwimmen zum Alltag gehört. Seine Obsession jedoch, dass sie Schwimmen lernen soll, ist auch merkwürdig.
Zu ihrer Angst vor Wasser kommt jetzt auch diesen Druck, KEINE Angst zu haben und schwimmen zu lernen. Der Mann will ihr ihre Angst verbieten. Ihre Angst setzt ihn unter Stress. Also hat er selber ein Problem, aber damit kann ich mich jetzt nicht aufhalten.
Ich bitte sie, zurück in die Katzen-Energie zu gehen (ich behalte diese Bezeichnung, um einen humoristischen Ton in diese schwere Energie beizubehalten und sie so ertragbar zu machen).
ICH: Was hat sich verändert?
DIE KATZE: Statt Beklemmung, fühle ich mich gezwungen im Wasser zu sein, obwohl es sich für mich nicht natürlich anfühlt.
Die Beklemmung ist weg, weil sie ein Stück innerer Wahrheit sah, aber die Formulierung, dass im Wasser zu sein, sich nicht natürlich anfühlt, ist sehr merkwürdig.
Es geht hier nicht mehr um Angst, sondern um etwas anderes, was verdrängt ist. Ich vermute zunächst einen Machtkampf mit dem Mann, und Trotz ihrerseits.
Ich bitte sie, wieder in die Energie des Mannes zu gehen und frage, ob es einen Machtkampf gibt. Er bestätigt es:
MANN: Ja. Sie macht nicht das, was ich gerne hätte. Das stresst mich, es kostet mehr Aufwand.
Ich frage ihn, wie alt die 'Katze' sei.
MANN: Sie ist ein junges Mädchen. Ich erwarte, dass sie schwimmen lernt. Alle anderen haben es auch gelernt, nur sie will nicht.
Der Mann ist gestresst, aber ich sehe die Ursache dafür nicht. Ich bitte sie, zurück in die 'Katze' zu gehen und sage zu ihr:
ICH: Alle andere haben schwimmen gelernt, nur du nicht. Willst du nicht wie die anderen sein?
KATZE: Doch, aber ich bin nicht gerne im Wasser.
ICH: Was passiert, wenn du dir vorstellst, im Wasser zu sein?
KATZE: Ich habe Angst vor dem Ertrinken, ich bekomme keine Luft, habe keinen Boden unter den Füßen.
Ich spüre, dass es etwas gibt, was sie betrübt, aber es war keine Panik vor Ertrinken da. Ich bitte die 'Katze', sich ihre Eltern im Raum vorzustellen. Wenn sie auf ihre Eltern schaut, geht es ihr nicht besser. Also es scheint ein Problem oder Stress zu sein, das auch die Eltern betrifft und vielleicht auch den Mann in Führungsposition.
Ich fühle, dass wir so nicht weiter kommen. Ich bitte sie, das gedanklich aufzustellen, womit das Ganze zusammenhängt - ob Familiengeschichte oder etwas anders. Ich frage sie, ob sie das kann, und sie sagt, dass sie es kann. Also hat sie es auch gefühlt. Offensichtlich haben wir beide etwas wahrgenommen, wofür wir noch keine Bilder hatten.
Dann bitte ich sie, in jene Energie hineinzugehen. Sie fühlt sie wie eine Frau, die ebenfalls Abneigung gegen Wasser hat.
ICH: Schau bitte auf die Katze.
DIE FRAU: Ich fühle Verständnis für sie.
Endlich hatte ich etwas gefunden, woran ich mich zur Ursache des Ganzen hinarbeiten konnte. Diese Frau hatte eine innere Verbindung zur 'Katze'. Sie könnte eine Ahnin sein oder eine ältere Frau in der Gruppe.
Ich bitte sie, zurück in die Energie der 'Katze' zu gehen und an Wasser zu denken. Die Abneigung war noch da.
Ich bitte sie, die Abneigung, ihre und die der anderen Frau, gedanklich aufzustellen. Weil sich alles sehr schwer anfühlt, frage ich behutsam, ob sie das kann. Sie kann es.
Ich bitte sie, in jene Energie hineinzugehen. Sie sagt, es fühlt sich erdrückend. Ich fühle einen Druck auf der Brust, aber die Nase und Atmung sind in Ordnung. Es ist eher wie eine Filmszene, wenn man sieht, wie jemand ertrinkt und der Körper im Wasser langsam versinkt. Als ich ihr meine Empfindung beschreibe, sagt sie Ja, genau!
Ich bitte sie, in die Energie der Ahnin zu gehen. Sie schaut auf die ertrinkende Person und ist starr vor Angst. Ich frage sie, ob sie dabei war, und sie bestätigt es.
ICH: Hast du jetzt Angst um dich selbst, dass man dir etwas antut? Oder hast du Schuldgefühle, die ertrinkende Person nicht gerettet zu haben?
AHNIN:. Ich habe mich gefragt, warum sie ins Wasser gegangen ist? Ich habe Angst, dass mir das Gleiche passiert. Ich kann auch nicht schwimmen.
Offensichtlich betraf die Erwartung des Gruppenführers, dass die 'Katze' schwimmen lert, nicht alle. Also ging es ihm nicht um Schwimmen lernen.
Ich bitte sie, zurück in die Energie der 'Katze' zu gehen und auf die Ahnin zu schauen.
KATZE: Ich habe Angst. Es war ein Unfall.
Ich bitte sie, auf die Ertrunkene zu schauen.
KATZE: Ich habe Angst. Wasser bedeutet Unfall und Tod.
Jemand ist offensichtlich ertrunken, aber ich fühle keinen Schmerz, keine Trauer, nur Angst. Ich bitte sie, in die Energie der Ahnin zu gehen und frage sie:
ICH: Wusstest du davor, dass das Wasser gefährlich ist?
AHNIN: Ja.
ICH: Gab es einen Konflikt?
AHNIN: Nein
ICH: Hast du den Eindruck, es war Selbstmord? War sie Selbstmord-gefährdet oder depressiv?
AHNIN: Nein, es war ein Unfall.
ICH: Wusste sie nicht, dass das Wasser gefährlich ist?
AHNIN: Doch, aber sie hat sich überschätzt.
Ich fühle, wie sich die Energie ändert, nachdem sie das gesagt hat.
ICH: Wie geht es dir?
AHNIN: Besser, ich entspanne mich.
Da bestätigt sich wieder der alte Satz, den ich von Leonad Shaw gelernt habe: Ausgesprochene Wahrheit heilt. Ich bitte sie, zur Ertrunkenen zu sagen:
AHNIN: Du hast dich überschätzt.
Ich fühle ihre Erleichterung und erkläre der Ahnin, dass sie sich jetzt besser fühlt, weil sie diese innere Wahrheit gefunden hat. Ich frage sie, was für ein Missverständnis davor gewesen ist? Was hatte sie gedacht? Ihre Antwort wirft Licht auf die ganze Geschichte:
AHNIN: Dass das Wasser sie verschlungen hat.
Obwohl sie wusste, dass das Wasser gefährlich war, konnte sie in ihrer Trauer der Verstorbenen keine Schuld geben, sich überschätzt zu haben. 𝓓𝓪𝓼 𝓦𝓪𝓼𝓼𝓮𝓻 𝔀𝓪𝓻 𝓼𝓬𝓱𝓾𝓵𝓭, 𝓷𝓲𝓬𝓱𝓽 𝓭𝓲𝓮 𝓥𝓮𝓻𝓼𝓽𝓸𝓻𝓫𝓮𝓷𝓮.
ICH: Warum war für dich wichtig, ihr nicht die Schuld zu geben?
AHNIN: Weil die anderen gesagt haben, dass das Wasser gefährlich ist.
Offensichtlich war es eine 𝓴𝓸𝓵𝓵𝓮𝓴𝓽𝓲𝓿𝓮 𝓮𝓶𝓸𝓽𝓲𝓸𝓷𝓪𝓵𝓮 𝓐𝓷𝓽𝔀𝓸𝓻𝓽 𝓪𝓾𝓯 𝓭𝓮𝓷 𝓤𝓷𝓯𝓪𝓵𝓵: Über Tote spricht man nur gut. Also musste das Wasser schuld sein. "Du hast dich überschätzt“ wurde zum Tabu.
Ich fühle, als ob ein Nebel verschwindet und Klarheit sich über die Realität ergießt. Ich bitte die 'Katze' zu ihrer Ahnin zu schauen.
KATZE: Ich fühle mich entspannt.
Obwohl sich der Prozess vollendet anfühlt, ich bitte sie noch folgende zwei Sätze zur Ahnin zu sagen:
KATZE:
Ich vergebe dir die Ignoranz und öffne mich für Freude zum Wasser und Schwimmen lernen.
Ich vergebe mir die Ignoranz und öffne mich für Freude zum Wasser und Schwimmen lernen.
Ich bitte sie zurück in die Gegenwart zu kommen. Sie sagt, sie fühlt sich ok, sie sieht Wellen und Sonne am Horizont.
ICH: Was würdest du tun, wenn ein Boot da wäre?
KLIENTIN: Wenn ich dürfte, würde hineinspringen und mitfahren.
ICH: Denk an deinen Traum, ans Meer zu fahren.
KLIENTIN: Der Traum ist weit weg.
Es kann sein, dass sie jetzt schwimmen lernt, oder auch nicht, dass sie Urlaub am Meer macht, oder auch nicht. Sie hat jetzt die innere Freiheit, zu entscheiden.
Darum geht es auf diesem Weg, immer mehr in die innere Freiheit zu kommen, wenn wir unsere kleinen und großen Entscheidungen im Leben treffen. Das bringt uns nicht nur näher zu dem, was wir wirklich wollen, sondern setzt auch Energien frei, die in solchen Zwangs-Dynamiken festgebunden sind.