Wenn 

Kopfwissen

hindert

 







Wenn der Kopf im Wege steht 

Immer, wenn sich der Partner nicht meldete, versank sie in diese Angst. Sie hatte viel an sich gearbeitet, sie wusste um ihre Verlustangst, weil zwei Väter sie verlassen hatten, aber es half nichts. Wenn der Partner sich zurückzog, war sie in Angst und Schmerz.

Sie rief mich an und sagte, ihr ungelöstes Thema war Verlustangst, nicht gemeint zu sein und Wertlosigkeit. Das sind abstrakte Begriffe - der Versuch des Kopfes, das zu übersetzen, was das Herz fühlt.

Ich frage, wann sie zuletzt so gefühlt hat, und sie erzählt von der guten Beziehung zu ihrem Partner und von ihrer Angst, wenn er sich nicht meldet. Während sie spricht, spüre ich den Schmerz eines Kindes und empfange die Worte „Papa geht weg“.

Um sie mehr in Kontakt mit ihren Emotionen zu bringen, frage ich nach weiteren Details zum Weggang ihres leiblichen Vaters. Sie sagt, er hatte die Mutter während der Schwangerschaft verlassen.

Während ich zuhöre, sehe ich ein Bild: Ein Mädchen schaut auf eine schwarze Gestalt, wie in einem Piktogramm, die in einem in Türrahmen steht. Er ist dabei, durch diese Tür zugehen. Dahinter sehe ich sonnige Landschaft, grünes Grass und Blumen. Das Mädchen, 2-3 Jahre alt, streckt eine Hand zum Mann und sagt wortlos „Geh nicht weg!“

Ich frage sie, ob das Bild etwas mit ihr macht, und sie sagt, während ich sprach, bekam sie ein anderes Bild. Ich entscheide mich, ihr zu folgen und mein Bild stehenzulassen. Am Ende der Sitzung wird sich der Sinn darin zeigen,

Ich bitte sie, ihr Bild zu beschreiben. Sie sieht sich als Kind in einem Türrahmen stehend und schaut in den Raum hinein, wo ihr Vater mit anderen Kindern, die auf Besuch waren, spielt. Sie toben auf ihn herum, während er sie, seine Tochter, ignoriert. 

Meine Klientin hat den Blick von außen nach innen umgelenkt. Die Fähigkeit, nach innen zu schauen, ist bei dieser Arbeit hilfreich, wenn es zur Gewohnheit wird, kann es auch ein Hindernis werden.

Während sie die Szene beschreibt, fühle ich eine starke ihre Emotion, die auf meiner Brust drückt: Ich bin nicht wichtig, ich existiere für ihn nicht, mich gibt es nicht. Sie sagt, sie kennt diese Gefühle. Mir kommt das Wort Vernichtung in den Sinn.

Ich frage sie, wie es ihr geht, wenn sie auf ihren Vater schaut, der mit anderen Kindern spielt und sie ignoriert.


KLIENTIN: Ich mache zu, ich gehe aus dem Körper raus. 

Um ihr zu helfen, nicht wegzufliehen, frage ich nach Details der Szene. Dann schlage ich vor, dass wir gedanklich eine Aufstellung machen.

Ich bitte sie, sich das Mädchen aus ihrem Bild irgendwo in ihrem Zimmer vorzustellen und auch den Vater aus ihrem Bild.

ICH: Wie geht es dir, wenn du auf die beiden schaust.

KLIENTIN: neutral. 

Ich fühle auch keine Emotionen. Da ich jedoch keine weiteren Anhaltspunkte habe, folge ich dem Bild. Ich bitte sie, in die Energie des Mädchens hineinzugehen. 


MÄDCHEN: Meine ganze Kraft geht weg. Ich mache zu.

Ich bitte sie, in die Energie des Vaters hineinzugehen. 


VATER: Ich fühle mich fest, erstarrt.

Ich bitte den Vater auf seine Tochter zu schauen. 


VATER: Ich sehe sie, darf aber keine Emotionen haben. Meine Lippen sind fest zusammengepresst. Das Sprechen fällt mir schwer.

Ich frage, warum er keine Emotionen zu seiner Tochter haben darf, und er sagt, sie sei Adoptivtochter, seine Frau wollte ein Kind adoptieren. Er fühle sich schuldig.

Da ich Schuldgefühle auch wahrnehmen kann, frage ich, ob ein sexueller Missbrauch vorgekommen ist oder ob er solche Wünsche oder Fantasien hätte. Er verneint es, jedoch seine Frau unterstelle es ihm. Sie sei eifersüchtig auf das Mädchen und verwehrt ihm den Kontakt mit dem Kind.

Ich kann die Energie eines fürsorglichen Vaters fühlen und frage ihn, ob er sich schuldig fühlt, weil er dem Kind nicht das geben kann, was es von einem Vater braucht, und zwar, weil seine Frau es ihm verbietet. 

VATER antwortet beinahe erleichtert: JA. 

Ausgesprochene Wahrheit bring Erleichterung.

ICH: Liebst du deine Frau?

VATER: Nein.

Es ist eine übliche Szene: Die Frau ist unglücklich, fühlt sich ungeliebt und ist eifersüchtig auf das Mädchen, welches die Aufmerksamkeit des Vaters bekommt. Der Konflikt zwischen den Eltern wir auf die Kosten des Kindes ausgetragen. So wie ich seine Energie wahrnehme, verstehe ich an dieser Stelle noch nicht, warum er mitmacht.

ICH: Warum bleibst du in der Beziehung und tust deiner Frau und deiner Tochter weh?


VATER: Weil man so macht. Sie hat mir nach dem Krieg eine Heimat gegeben. Ich bleibe, weil ich meine, ihr schuldig zu sein, und weil das mein Zuhause ist, und auch wegen der Tochter.


ICH: Bleibst du, um das Loch, nicht zu spüren, keine Heimat zu haben?


VATER: Sich trennen, ist keine Option. Das gibt es nicht. Das ist wie ein lila Elefanten.

Während ich versuche dahinterzukommen, warum Trennen keine Option sei, spreche ich meine Klientin an, also nicht den Vater aus dem Bild, und bringe das Gespräch auf die Zeit, als ihr leiblicher Vater ihre schwangere Mutter verlassen hat.

Ich erkläre ihr, dass sie im Leib der Mutter die Situation mitbekommen hat. Kinder empfinden in ähnlichen Situationen sowohl einen eigenen Schmerz als auch den Schmerz der Mutter.

In dieser Arbeit folgen wir immer der stärksten Emotion. Also frage ich sie, ob sie den Schmerz fühlt und wollte ihr helfen, herauszufinden, was damals das schlimmste war: ihr Verlust des Vaters oder die Angst der Mutter, vom Mann verlassen zu werden.

Sie sagt mir plötzlich, dass sie nach ihrem leiblichen Vater gesucht hat. Als sie ihn finden konnte, war er allerdings schon verstorben. Sie erfuhr noch, dass er sie nachträglich als Kind rechtlich anerkannt und sie auch (vergeblich) gesucht hatte. Ich fühle eine unendliche Trauer in meinem Bauch. Es wird mir klar, dass wir hier weiter schauen müssen.

Ich bitte sie, sich gedanklich sich selbst und ihren leiblichen Vater in den Raum vorzustellen. Dann bitte ich sie, in die Energie von sich selbst von damals, als sie den Vater gesucht hat, einzusteigen und auf ihren Vater zu schauen.

KLIENTIN: Die Verbindung ist da, ich bin traurig. 

Allerdings ist die Trauer, die ich davor gefühlt habe, nicht mehr da. Ich sage, ich fühle eine Bremse bei ihr, zu fühlen. Sie bestätigt es.

Dann bitte ich sie, in die Energie des Vaters einzusteigen und auf seine Tochter zu schauen.


LEIBLICHER VATER: Ich fühle mich vernichtet.

ICH: Ich fühle bei dir eine große Liebe und eine tiefe Wunde.

Das öffnet ihm die Tür zu seinen Gefühlen. Er sagt zu mir, er möchte sie umarmen. Ich habe gelernt und immer wieder erfahren, dass ausgesprochene Wahrheit heilt. Also ermutige ich ihn, es in Worten zu fassen. 

LEIBLICHER VATER sagt zur Tochter: Ich liebe dich, Ich liebe dich so sehr!

Ich lasse einige Sekunden diesen Satz nachklingen und biete sie dann in die Energie der Tochter hinüberzugehen. Dann spreche ich zu der Tochter:

ICH: Du hast gehört, wie dein Vater zu dir gesagt hat: „Ich liebe dich so sehr." Wie kommt das bei dir an?


KLIENTIN: Ich höre es, aber es ist wie Watte um mich herum, ich habe Angst seine Liebe zu fühlen.

Wir müssen dieser Angst nachgehen. Ich beginne ihr zu erklären, wovor man in einer solchen Situation Angst haben könnte und bitte sie, in die Angst hineinzuschauen. 

KLIENTIN: Während du sprachst, verschwand die Angst.

ICH:  Wie fühlst du dich jetzt, nachdem der Vater zu dir gesagt hat „Ich liebe dich so sehr“? Kommst es jetzt bei dir an? 

KLIENTIN: Ja und sie sagt zurück zum Vater: Ich liebe dich auch, sehr.

Ich lasse den Satz einige Sekunden nachklingen und bitte sie, zurück zu ihrem Partner zu schauen und in die Situation zu gehen, als er sich nicht meldete und sie in Angst war. Auch diese Angst ist weg. Sie fühlt sich ruhig und vertraute der Beziehung.

Ich ermutige sie, sich den Unterschied zu früher bewusst zu machen. Das dient der Integration der erfahrenen Heilung. Damit verabschieden wir uns.


Im Nachhinein wird mir klar, dass mein Anfangsbild und die Worte "Papa geht weg" die Lösung enthielten. Sie dachte, dass sie Verlustängste hatte, weil sie vom leiblichen Vater und von Adoptivvater verlassen wurde. Deswegen richtete sie zuerst den Blick nach innen, um nach Kindheitserfahrungen zu schauen.

In der Situation mit der Funkstille mit ihrem Partner wurde jedoch der Schock aktiviert, als sie erfahren hatte, dass ihren leiblichen Vater verstorben war, und zwar in dem Moment, als sie hoffte, ihn gefunden zu haben. Ich sah ihr inneres Bild, wie der Vater, den sie nicht kannte, also nur konturenhaft sah, dabei war, die Schwelle zu einer schönen, sonniger anderen Realität zu beschreiten.

Ihre Sehnsucht, ihre Hoffnung, brachen in diesem Moment zusammen und sie wollte den Vater nicht loslassen. Der Schmerz war so groß, sie konnte es nicht annehmen und blieb in dieser Emotion stecken, die sie dann in die Beziehung hineinbrachte.

Wenn wir den Tod eines Menschen akzeptieren, können wir seine Liebe fühlen und unsere Liebe zu ihm oder ihr weiterhin fließen lassen. Das bringt auch unser Boot zurück im Fluss des Lebens.

In diesem Kontext stimmt es: Trennung ist keine Option. Es ist,  wie sie es sagte, ein Lila Elefant. Das gibt es nicht. Trennung von geliebten Verstorbenen gibt es tatsächlich nicht. Sie leben ewig in unserem Herzen und sind für uns da, wenn wir sie brauchen.

Ihr angesagtes Thema „Verlustangst, nicht gemeint zu sein und Wertlosigkeit“ mag real sein, oder auch nicht. Aktuell war es jedoch nicht. Der Kopf bot psychologische Begriffe an, weil er den Schock im Herzen nicht verstand.